Ohne Bezugschein
„Was wäschst du denn da für Lumpen?“
fragte Anastasius geringschätzig und schielte
mißtrauisch in die Seifenlauge.
„Lumpen ist gut“, meinte ich, „das ist die beste
von meinen zwei Garnituren!“
„Die beste?“ höhnte er, „da möchte ich erst mal
die zweitbeste sehen, du Lumpenlieschen . . .“
„Sieh mal einer den unverschämten Kater an“,
erboste ich mich, „kannst du mir vielleicht sagen, wie ich zu einer neuen Garnitur kommen soll?“
„Klar“, plusterte er sich auf, „Bezugschein
beantragen - Garnitur kaufen. Eine der Intelligentesten scheinst - du auch gerade nicht zu sein.“
„Was haben wir doch für'n schlauen Anastasius“,
freute ich mich, ihm eins auswischen zu können.
„Denk mal an, ich habe sogar schon einen Bezugschein, bloß der nützt mir nichts, es gibt
nämlich nirgends Unterwäsche zu kaufen. Na,
jetzt bist du mit deiner Schläue auch am Ende,
oder weißt du etwa einen Ausweg aus dem
Dilemma?“
"Selbstverständlich“, hohnlächelte er, „was
kannst du froh sein, daß du mich hast. Du kannst dir ja reineweg gar nicht helfen. Du wirst also deinen Bezugschein fein säuberlich deiner
Andenkensammlung einverleiben, zweihundert Mark nehmen und dir die Garnitur hintenrum besorgen, da bekommst du sie ganz leicht.“
„Anastasius“, meinte ich entsetzt, „du bist ja ein
ganz verkommener Schieberkater . . . Woher
willst du denn wissen, daß ich sie auf diesem
Wege ganz leicht beziehen kann . . .?“
„Aus Erfahrung“, sagte er mit überheblicher
Selbstsicherheit, „oder meinst du vielleicht, ich
hätte meinen Pelz auf Bezugschein bekommen“?
Sein höchstes Ideal
„Du singst zwar nicht schön, aber laut“, stellte
Anastasius boshaft fest, als er meine gute Laune
bemerkte.
„Du bist zwar nicht witzig, aber boshaft“,
revanchierte ich mich.
,.Na, ist doch auch wahr“, meinte er griesgrämig,
„wir haben doch wahrhaftig keinen Grund zum
Singen. Wenn ich mir so meinen leeren
Freßnapf betrachte . . .“
„Daß du ewig ans Fressen denkst . . . Mein Gott,
es gibt doch noch andere Dinge, die das Leben
lebenswert machen“, sagte ich ungehalten.
„Andere Dinge . . . außer Fressen?“
„Selbstverständlich . . . Das Leben besteht doch
nicht nur aus Fressen, Anastasius.“
„Aber zur Hauptsache . . .“
„Auch nicht zur Hauptsache. Man muß eben
Ideale haben . . .“
,.Das sage ich ja auch, aber von den paar
Idealen, die wir zugeteilt bekommen, kann man
doch nicht satt werden.“
„Anastasius, du Dummerjan“, sagte ich, „du
verwechselst ja Kalorien mit Idealen. Sieh mal,
ein Ideal ist etwas Wunderbares - Großartiges
- etwas, was manchmal gar nicht greifbar ist,
aber woran man sich auch in Gedanken erfreuen
kann . . . denke mal scharf nach . . . irgendein
Ideal wirst du doch auch haben . . .“
„Habe ich“, meinte er eifrig, „natürlich habe ich
ein Ideal . . . und was für eins . . .“
„Na siehst du . _ . und was ist nun der Traum
deiner schlaflosen Nächte - was ist dein Ideal?“
„Ein großer, fetter, geräucherter Bückling“, sagte
er mit vor Begeisterung zitternder Stimme und
leckte sich traumverloren sein Schnäuzchen.
Die große Überraschung
„Ich habe eine ganz große Überraschung für
dich“, mauzte Anastasius aufgeregt.
„Eine Überraschung . . . nanu . . . was für eine
Überraschung denn?“
„Wir bekommen Fensterscheiben“, verkündete
er stolz.
„Fensterscheiben? Woher weißt du den das?“
„Ich weiß es eben . . . freust du dich sehr?“
„Anastasius“, wies ich ihn zurecht, „nun sage mal die Wahrheit . . . Woher sollen wir denn mit
einem Male Fensterscheiben bekommen? Das
hast du dir doch einfach aus den Pfoten gesogen . . .“
„Habe ich nicht“, sagte er beleidigt. „Ich halte
eben meine Augen und Ohren offen und sehe,
was in der Welt vorgeht . . . zum Unterschied
von anderen Leuten“, fügte er mit einem giftigen
Seitenblick auf mich hinzu.
„Und bei diesem Augen- und Ohren offen halten
hast du festgestellt . . .“
-„. . . daß jetzt unsere Straße mit Fensterscheiben
beliefert wird.“
„Und wann meinst du, daß wir an die Reihe
kommen?“
,.Morgen“, sagte er bestimmt, „morgen sind wir
in Nr. 29 dran. Man geht anscheinend
häuserweise vor . . .“
„Morgen . . . wieso denn morgen schon?“
„Weil gestern die Bar in Nr. 27 verglast worden
ist und heute bereits an dem Café in Nr. 28 gearbeitet
wird“, miaute er vergnügt und nahm
seinen Beobachtungsposten am offenen Fenster
wieder ein.
Eine Wurst verschwand
„So“, sagte Anastasius und ließ sein Einholekörbchen
aus dem Schnäuzchen fallen, „hier habe
ich dir das gewünschte Backpulver gebracht.“
„Schönen Dank, Anastasius“, erwiderte ich und
streichelte ihn.
„Keine Ursache“, wehrte er ab, „ich mach mich
gern im Haushalt ein bißchen nützlich . . ., hier
ist die Karte zurück . . .“
„Und wo sind die restlichen 50 Pfennig? Ich gab
dir doch eine Mark mit . . .“
„Ich habe nichts herausbekommen . . .“
„Anastasius“, schalt ich, „ich habe dir doch ausdrücklich
gesagt, daß zwei Backpulver 50 Pfennig kosten . . .,
da hättest du dich doch melden müssen . . .“
„Ich habe ein paarmal ganz laut miau gesagt,
aber die Verkäuferin hat mich doch nicht verstanden“,
antwortete er ärgerlich. „Ich kann
doch nichts dafür, wenn die Menschen alle betrügen.
Sollten sich was schämen, einen armen
kleinen Kater um sein Geld zu bringen . . .“
„Alle Menschen betrügen nicht“, wies ich ihn
zurecht.
„Alle“, beharrte er, „du siehst es ja. Ich bin ja
bloß ein Kater, aber ich würde niemals betrügen . . .“
„Wollt ich dir auch nicht geraten haben“, meinte
ich. „Was hast du denn da noch im Körbchen?“
„Ein Stück Wurst“, schnurrte er.
„Aber Anastasius, du solltest doch keine Wurst
bringen, du weißt doch, wie knapp wir mit den
Fleischmarken sind . . .“
„Beruhige dich“, versuchte er mich zu
beschwichtigen, „die hat keine Marken gekostet,
die habe ich schnell eingepackt, als die Verkäuferin
nicht hinsah.“
„Anastasius“, sagte ich empört, „und da regst du
dich über die Betrügereien anderer Leute auf!
Wenn du aber einfach heimlich Wurst einpackst,
hast du da nicht auch betrogen?“
„Nein“, schüttelte er energisch seinen dicken
Katerkopf, „da habe ich nicht betrogen, da habe
ich bloß ein bißchen geklaut . . .“